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2000

FC St.Gallen nach 96 Jahren sensationell wieder Meister

Nicht GC, Servette, Lausanne oder Basel - der erste Schweizer Fussballmeister des neuen Jahrtausends hiess überraschend FC St.Gallen. Der 1879 gegründete und damit älteste noch bestehende Fussballklub der Schweiz feierte nach 1904 den zweiten Meistertitel der Klubgeschichte.

Trainer Marcel Koller gelang es in St.Gallen innert kurzer Zeit - er hatt die Mannschaft im Januar 1999 übernommen - ein Team zu formen, das mit den höher eingestuften Konkurrenten GC, Servette, Lausanne oder Basel problemlos mithalten konnte. Die als Abstiegskandidaten eingestufte Mannschaft spielte konstant und entwickelte mit dem erfolgreichen Saisonstart im Sommer 1999 eine Siegermentalität. Überlegen schloss der FC St.Gallen schliesslich die Qualifikation mit acht Punkten Vorsprung auf den FC Basel ab.

Entgegen viel geäusserter Prognosen, die einen Einbruch des FCSG erwarteten, legte die Mannschaft, getragen vom damals besten und treusten Publikum der Schweiz, in der Finalrunde mit teils imponierenden Leistungen nochmals zu und verblüffte alle Beobachter. Sinnbildlich dafür steht der Auftakt zur Finalrunde im Frühling 2000: auswärts gegen die von Roy Hodgson trainierten Grasshoppers gleichen die St.Galler einen 0:3-Rückstand nach 15 Minuten bis zur Pause zum 3:3 aus. Und als der Favorit in der 90. Minute noch einmal in Führung ging, erzielte der spätere Torschützenkönig Charles Amoah (25 Saisontore) im Gegenzug den erneuten Ausgleich zum 4:4.

In der gesamten Finalrunde musste sich der FCSG nur ein einziges Mal geschlagen geben und verteidigte die Tabellenführung während Wochen souverän. In der viertletzten Runde musste der FC St.Gallen bereits am Freitag, 19. Mai 2000, auswärts in Luzern antreten - und gewann das Spiel dank Toren von Marc Zellweger und Sascha Müller mit 2:1. Damit betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger FC Basel elf Punkte. Ein Punktverlust der Basler würde den FCSG zum zweiten Mal nach 1904 zum Schweizer Meister machen.

Meisterfeier spielfrei auf dem Balkon
Am Sonntagnachmittag, 21. Mai 2000, zum letzten Spiel der 32. Runde zwischen Servette und Basel, versammelte sich die spielfreie Mannschaft des souveränen Leaders auf dem Balkon des St. Galler Marktplatzes, unten in der Menge fieberten Tausende Fans mit. Bis zur 88. Minute musste gezittert werden, die Basler führten in Genf seit der 26. Minute mit 1:0. Doch dann gelang dem slowenischen Stürmer Ermin Siljak per Kopf für Servette der späte und für jeden FCSG-Fan erlösende Ausgleich zum 1:1. Die St.Galler waren damit drei Runden vor Schluss endgültig nicht mehr von der Tabellenspitze der NLA zu verdrängen, der Vorsprung auf Basel betrug zehn Punkte, das grün-weisse Wunder war perfekt.

Der Klub mit dem drittkleinsten Budget der NLA hatte die Gunst der Stunde im Schweizer Spitzenfussball genutzt. Während die favorisierten Grossklubs wie GC oder Servette mit steten Wechseln und Unruhen, überteuerten Spielerkadern und zu hohen Ansprüchen von Krise zu Krise schlitterten, bestach der FCSG mit Spielern ohne Allüren und moderaten Salären durch Harmonie, Konstanz und den meisten Plus-Toren. Hinter den Kulissen zogen Präsident Thomas Müller und Sportchef Peter Stadelmann erfolgreich die Fäden. Am Ende der Meisterschaft betrug der Vorsprung des FCSG auf Lausanne-Sports 10 Punkte, Basel wurde sogar um 14 Zähler distanziert.

Amoah und Co.
Das Kollektiv des 20-Mann-Kaders mit einem Durchschnittsalter von knapp 27 Jahren, die Konstanz in der Qualifikation und in der Finalrunde und Trainer Marcel Koller, der in seinem zweiten Jahr als NLA-Coach bereits den Meistertitel feieren konnte, machten das St. Galler Fussball-Märchen wahr. Bis auf den ghananischen Goalgetter und Torschützenkönig Charles Amoah hatte der FC St. Gallen keine eigentlichen Stars in seinen Reihen. Und dennoch sind die Namen der Teamstützen der Meistermannschaft noch heute jedem Schweizer Fussballfan ein Begriff, angefangen bei Captain und Torhüter Jörg Stiel, über Giorgio Contini, Ivan Dal Santo, Marc Zellweger, Marco Zwyssig, Giuseppe Mazzarelli, Pascal Thüler, Patrick Winkler bis zu Adrian Eugster. Neben Amoah standen als Ausländer die Brasilianer Jairo und Guido, der Rumäne Ionel Gane oder Wilco Hellinga aus Holland im Kader.

Meistercoach Marcel Koller fasst die Sensation wie folgt zusammen:

«Unsere Stärken sind Teamgeist, Konstanz und Abgeklärtheit. Wir sind reifer geworden und haben ein gesundes Selbstvertrauen entwickelt. Es ist mir gelungen, meinen Spielern die Mentalität von Siegern zu vermitteln.»

Am 7. Juni 2000, im Anschluss an das letzte Meisterschaftsspiel gegen die Grasshoppers, durfte der FCSG schliesslich vor 11'500 Fans im Stadion Espenmoos den Pokal in Empfang nehmen.

Noch einmal nahe dran - und ein Jahrhunderspiel
Ein Jahr später spielten die Ostschweizer erneut an der Spitze der NLA mit. Mit zwei Punkten Rückstand auf den überraschenden FC Lugano war die Qualifikation erneut ein Erfolg. In der Finalrunde kam es zu einer regelrechten Finalissima im Espenmoos zwischen GC und St.Gallen, während der FC Lugano im Fernduell gegen Sion noch um den Titel mitspielte - und mit 1:2 verlor. Der FCSG musste sich im somit entscheidenden Spiel gegen die Zürcher mit 0:4 geschlagen geben. Es resultierte Rang 3, den Titel holte sich 2001 der Grasshopper Club Zürich vor Lugano.

Als Meister war der FCSG auch im europäischen Wettbewerb spielberechtigt und scheiterte in der Champions League-Qualifikation denkbar knapp an Galatasaray Istanbul (1:2 und 2:2). Die St.Galler durften danach im UEFA-Cup antreten. Dort eliminierten die Ostschweizer in der 1. Runde sensationell das grosse, mit zahlreichen Stars und Nationalspielern gespickte Chelsea London. Ein 0:1 aus dem Hinspiel an der Stamford Bridge machten die St.Galler im Rückspiel wett. Mit 2:0 bezwang der FC St.Gallen am 28. September 2000 im Zürcher Hardturm - das Espenmoos war für europäische Spiele nicht zugelassen - die Londoner durch Tore von Sascha Müller und Charles Amoah und sorgte für das grösste europäische Highlight in der Vereinsgeschichte. In der nächsten Runde kam das bittere Aus gegen Club Brügge nach einem Gegentor in der 92. Minute im Rückspiel.

Meistermannschaft FC St.Gallen 1999/2000

Hinten v.l.: Zünd (Assistent), Tsawa, Zellweger, Neri, Zwyssig, Pinnelli, Thüler, Gane
Mitte v.l.: Winkler, Müller, Amoah, Meyer, Colacino, Hellinga, Damasio, Koller (Trainer)
Vorne v.l.: Contini, Zinnà, Jairo, Stiel, Alder, Eugster, Mazzarelli, Dal Santo

Gründung FC St.Gallen
1879
Meistertitel (2)
1904 2000
Cupsieg (1)
1969